Ein Update für die Pflegeausbildung
Ein Jahr nach der Reform des Pflegeberufegesetzes – wie kommen die Neuerungen in der Praxis an?
Am 1.1.2020 trat das neue Pflegeberufegesetz in Kraft. Es führte unter anderem die generalistische Ausbildung, neue Berufsbezeichnungen, die Möglichkeit der hochschulischen Ausbildung und Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen ein. Über ein Jahr später werfen wir einen Blick auf die Ausbildungslandschaft: Wie kommt das Gesetz an und was hat sich in der Praxis getan?
Warum wurde das Pflegeberufegesetz geändert?
Bisher verliefen die Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege voneinander getrennt. Das spiegelt jedoch immer weniger die Anforderungen in der Praxis wider: Beispielsweise sind Altenpflegefachpersonen zunehmend mit chronisch kranken Pflegebedürftigen konfrontiert, Krankenpflegefachpersonen mit demenziellen Erkrankungen in der Akutversorgung. Tariflich wie auch arbeitsrechtlich wurden die verschiedenen Bereiche der Pflege bislang außerdem nicht einheitlich behandelt, was zu zahlreichen Ungerechtigkeiten führte. Dazu kommt der steigende Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal, der eine durchlässige und einheitliche Berufsausbildung erfordert.
Lösung Generalistik?
Eine zentrale Neuerung des Gesetzes umfasst die Einführung einer generalistischen Pflegeausbildung. Das bedeutet:
* Die getrennt geregelten Ausbildungen für Kranken- und Altenpflege wurden im neuen Pflegeberufegesetz unter einen Hut gebracht.
* Auszubildende aller Bereiche durchlaufen zwei Jahre lang dieselbe generalistische Ausbildung. Im dritten Jahr können sie - vorerst noch bis 2025 - eine Vertiefung in Alten- oder Kinderkrankenpflege wählen. Wer stattdessen den generalistischen Zweig fortsetzt, erhält den neuen Berufsabschluss „Pflegefachfrau“/“Pflegefachmann“. Dieser Abschluss wird in allen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt.
Dadurch soll es Pflegefachpersonen künftig leichter gemacht werden, sich beruflich weiterzuentwickeln, das Tätigkeitsfeld bei Wunsch zu wechseln und ihr Berufsleben an sich verändernde private Umstände anzupassen.
Das Gesetz bleibt damit dennoch hinter den Erwartungen der Bundespflegekammer zurück:
„Die Intention des Pflegeberufegesetzes war eine einheitliche grundständige Ausbildung in den Pflegeberufen zu schaffen, die gleichberechtige Anschlussfähigkeiten und Qualifizierungswege für die Absolvent*innen ermöglicht. Mit den Sonderabschlüssen Altenpflege und Kinderkrankenpflege werden traditionelle Muster fortgeführt, Bildungswege eingeschränkt und europäische Anerkennung verhindert. Das kann so nicht hingenommen werden. Wir fordern hier unverzüglich die Abschaffung der Sonderwege. Die Vertiefungen im letzten Ausbildungsjahr können bei entsprechender Einbindung in eine generalisierte Sicht sinnvoll sein, um den Interessen der Lernenden entgegenzukommen. Sie sollten aber neben der altersbezogenen Perspektive dann auch weitere Wahlmöglichkeiten eröffnen (z.B. Demenzversorgung, Onkologischer Schwerpunkt etc.).“
Forderungspapier der Bundespflegekammer zur Bundestagswahl 2021
Hochschulische Bildung
Während die Pflege in Deutschland bisher ein reiner Ausbildungsberuf war, sieht das international schon lange anders aus. In den USA oder Skandinavien ist die akademisierte Pflege schon lange der Normalfall – und damit auch mit einer deutlich größeren professionellen Wertschätzung verbunden. Nun soll auch hierzulande nachgezogen werden: Ergänzend zur beruflichen Pflegeausbildung wurde im Rahmen des Pflegeberufegesetzes ein Pflegestudium eingeführt. Nach mindestens drei Jahren Hochschulausbildung können Studierende so einen Bachelor- bzw. Master-Titel zusätzlich zur Bezeichnung „Pflegefachfrau bzw. -mann“ führen. Das Pflegestudium soll neue Zielgruppen für die Profession gewinnen und sicherstellen, dass sich das immer rasanter entwickelnde Wissen aus der Pflegewissenschaft in der Praxis ankommt. Das wird immer wichtiger, da sich mit demografischen Entwicklung auch die Aufgabenbereiche der Pflege zunehmend ausweiten werden – wo beispielsweise in ländlichen Gebieten die medizinische Versorgung immer dünner wird, steigt der Bedarf an kommunaler Versorgung durch hochqualifizierte Pflegefachpersonen mit eigenständigen Kompetenzen.
Bislang sind die Studienplätze jedoch nur bis zu 50 Prozent belegt – denn das Pflegestudium selbst sowie die Berufsperspektiven haben noch abschreckende Wirkung. Unvergütete Pflichtpraxiseinsätze während der Semesterferien etwa machen ein Studium für viele Interessierte unfinanzierbar; da ist die bezahlte Ausbildung für viele die deutlich attraktivere Wahl. Und was nach dem Studienabschluss kommt, bleibt oftmals unklar: Die meisten Arbeitgeber:innen haben noch keine Stellenprofile entwickelt, die auf die neuen Absolvent:innen zugeschnitten sind.
Dazu schlägt die Bundespflegekammer vor:
„Im Bereich der grundständigen pflegerischen Studienplätze kommt der Aufbau des Studienplatzangebotes nur langsam und unzureichend voran. Hier muss der Bund die Länder auffordern, Studienplätze zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig hat der Bundesgesetzgeber Rahmenbedingungen zu schaffen, ein duales, praxisintegrierendes Studium mit gleichzeitigem Erhalt der derzeitigen Umlagefinanzierung der praktischen Ausbildungskosten zu entwickeln. Dies ermöglicht eine Integration sowie Anerkennung der intensiven praktischen Ausbildungszeit in das wissenschaftliche Studium und erreicht somit eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis.“
Forderungspapier der Bundespflegekammer zur Bundestagswahl 2021
Das neue Pflegeberufegesetz hat wichtige Neuerungen auf den Weg gebracht – damit diese auch in der Praxis ankommen, müssen einige Stellschrauben in der Wissenschaft, bei Arbeitgeber:innen und in der Gesetzgebung angezogen werden. Auf dem Deutschen Pflegetag 2021 werden wir gemeinsam mit Vertreter:innen aller Bereiche diskutieren, wie das geschehen kann.